Technik - die kurze Rubrik, die ein Bauteil Ihrer Uhr erklärt

Heute:  „Eine zerstörte Uhr“

Neulich kam eine Französische Pendule in die Werkstatt. Es war eine wunderschöne Holzuhr mit vier gedrehten Holzsäulen und offenem Werk. Der Kunde meinte, sie würde die Zeit nicht schlagen. Nun war mit einem Blick offensichtlich, dass auf der Rückseite die Glocke samt Baum, der Hammer und die Schlossscheibe fehlten. Da die Uhr sonst gut lief, habe ich nicht weiter in die Uhr gesehen, was sich im Nachhinein als Fehler erwies. Die genannten fehlenden Teile habe ich bei einem Kollegen bekommen, der sich auf die Reparatur von alten Großuhren spezialisiert hat. Da die gesuchten Teile über 100 Jahre alt sind, waren wir beide froh, etwas Passendes gefunden zu haben. Ich war also frohen Mutes, als ich mir die Uhr zur Montage der Teile vornahm. Das Werk war schnell aus dem Gehäuse genommen. Nun wollte ich das Schlagwerk erstmal aufziehen, da ich annahm, dass die Feder abgelaufen war. Da kam der erste Moment des Stutzens, da das Gesperr des Federhauses nicht funktionierte. Was ich daraufhin entdeckte, kann man nur mit Fassungslosigkeit und Kopfschütteln kommentieren. Das Gesperr ging nicht, da der Sperrhaken fehlte. Was schlimm ist, aber im Vergleich zu den anderen fehlenden Teilen, dann auch nicht mehr zählte. Da hatte nämlich ein überaus vorausschauender Zeitgenosse, sämtliche Hebel des Schlagwerkes auch gleich mit entfernt. Ganz gemäß dem Motto: die Uhr wird nie mehr jemanden mit dem Schlag nerven. Bzw. erfreuen. Nun könnte man einwerfen, dass es die Werke recht günstig in komplettem Zustand zu erwerben gibt, aber dennoch ist diese finale Lösung eines Wunsches für nur einen momentanen Besitzer der Uhr befremdlich. Die Pendule hat schon ein Jahrhundert mit der feinen Optik und Akustik viele Mitmenschen erfreut und würde es auch noch mal solange machen. Da sollte man doch an die kommenden Besitzer denken und das Schlagwerk einfach nicht aufziehen, wenn man sich nicht für den hellen Glockenschlag erwärmen kann. Der Nächste sieht das vielleicht wieder anders. Oder der Nächste. Oder Übernächste.